Die Geschichte der US-Open: Geprägt von Arthur Ashe

Weniger Kuriositäten, weniger Luxus: Die Geschichte der US Open klingt im ersten Moment glanzloser als die von Wimbledon. Doch dabei ist sie nicht minder spektakulär. Vielmehr hat sie ihre persönliche Heldengeschichte. In der Hauptrolle: Arthur Ashe.

US Open (Tennis): Arthur Ashe ist der größte Platz im Park Flushing Meadows, Queens, New York.

Von Roshan Thome und Tillmann Becker-Wahl, Illustration: Oona

Die US-Amerikaner lieben es spektakulär, das gilt gerade beim Sport – und auch für die US Open. Seit 1978 wird US-amerikanische Tennisgeschichte in Queens, New York, geschrieben: im Flushing Meadows Corona Park. Heute steht hier mit dem Arthur Ashe Stadium das größte Tennisstadion der Welt, während für die Profis das höchste Preisgeld der Saison winkt. Doch bis die US Open ihren Weg nach New York fanden, dauerte es – und die Spieler wechselten von Rasen auf Sand und schließlich auf Hartplatz. Das ist die Geschichte der US Open und die ihres Helden Arthur Ashe.

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Wenn Tenniskommentatoren über die US Open sprechen, fällt meist im gleichen Satz auch Flushing Meadows. Die Parkanlage in Queens, New York, ist heute die Heimstätte der spektakulärsten Tennisanlage der Welt. Die ersten Tennisbälle der USA flogen indes rund 170 Meilen weiter östlich über die Plätze: auf Rhode Island. Der Park Flushing Meadows – zu dieser Zeit war er noch gar nicht errichtet.

Zeitreise ins Jahr 1881. Es war der 31. August als die ersten U.S. National Championships im Tennis stattfanden. Lange dauerten sie nicht, gerade einmal vier Tage. Doch heute sind diese 96 Stunden historisch. Und die Geburtsstunde der US-amerikanischen Tennisgeschichte. Überhaupt, das Jahr 1881 war entscheidend für die Entwicklung des Tennis in den USA. Nur wenige Monate vor den ersten Championships gründete sich die United States Tennis Association (USTA), der nationale Tennisverband der Vereinigten Staaten. Heute zählt der USTA mehr als 700.000 Tennis spielende Mitglieder.

Hintergrund: Das ist die USTA

Dass sich ein nationaler US-amerikanischer Tennisverband gegründet hatte, hatte vor allem einen Grund: einen Streit. Bevor 1881 die ersten offiziellen U.S. National Championships ausgetragen wurden, lud Eugenius H. Outerbridge, Bruder der "Mutter des amerikanischen Tennis", Mary E. Outerbridge, und Geschäftsführer des Staten Island Cricket Clubs, zu einem ersten nationalen Tennisturnier ein. Doch über die geltenden Regeln herrschte zwischen den Teilnehmern Uneinigkeit.

Immer wieder stritten sich die Spieler auf Staten Island darüber, wie denn nun gezählt werde, wie schwer ein Tennisball zu sein habe und wie hoch das Netz hängen solle. Die Folge: Sie forderten die Gründung eines Verbands, der für alle Teilnehmer in Zukunft einheitliche Regeln festlegen könne. Gesagt, getan.

1881 einigten sich 36 Vertreter von insgesamt 19 Vereinen im Fifth Avenue Hotel in Manhatten, New York, die Regeln des All England Club zu übernehmen. Sie gründeten die USTA – und legten gleichzeitig einen Termin für die ersten U.S. National Championships fest: den 31. August 1881.

Die Veranstalter entschieden, die ersten U.S. National Championships im Newport Casino auf Rhode Island auszutragen. Bis 1914 fand dort das Vorreiter-Turnier der US Open auf Rasenplätzen statt. Damen standen zu dieser Zeit in Rhode Island jedoch nicht auf dem Tennisplatz. Sechs Jahre, nachdem die U.S. National Championships bei den Herren ihr Debüt feierten, durften auch die Damen ihre Siegerin ausspielen: auf den Flächen des Philadelphia Cricket Clubs, 270 Meilen entfernt vom Newport Casino.

Die U.S. National Championships werden zu den US Open – und ziehen nach New York

27 Jahre blieben die Damen und Herren getrennt. 1915 entschieden die Veranstalter dann, die U.S. National Championships in den New Yorker Stadtteil Queens zu verlegen. Der West Side Tennis Club beherbergte für die nächsten 63 Jahre sowohl das Damen- als auch das Herrenturnier – und erlebte, wie 1968 mit Beginn der Open Era die US Open entstanden.

Zurück in Rhode Island blieb damit der Entstehungsort der heutigen US Open. Nachdem das Grand-Slam-Turnier nach Queens wanderte, verblasste das Newport Casino auf der Tenniskarte. Dort brach 1953 ein Feuer aus, zerstörte einen Großteil des kaum noch genutzten Casinos. Der ehemalige Tennisspieler Jimmy van Alen, Vorstand des Vereins, entschied daraufhin, das Gebäude wieder aufzubauen – um dort ein Tennismuseum zu errichten. Auch deutsche Spieler wie Steffi Graf und Boris Becker sind Teil der Tennis Hall of Fame. Heute findet dort zudem das ATP Newport statt. Es ist das einzige Turnier, das nach Wimbledon auf Rasen gespielt wird.

Die US Open selbst entwuchsen in den 1970er-Jahren dem West Side Tennis Club. Die USTA entschied, einen neuen Tennispark zu bauen – und fand das perfekte Areal samt leerstehendem Stadion im für die Weltausstellung 1939/40 angelegten Flushing Meadows Park. 22 Plätze hat das USTA Billie Jean King Tennis Center heute. Rasenplätze gibt es keine mehr.

Auf diesem spielten die Profis noch bis 1974. Dann legte der West Side Tennis Club eine Schicht Sand auf seine Plätze. Drei Jahre noch spielten die Spielerinnen und Spieler auf Asche. Mit dem Umzug nach Flushing Meadows wechselten die Veranstalter dann noch einmal den Belag. Rasen und Sand hatten ausgedient, die USTA setzte fortan auf Hartplätze.

Regenpause für den Super-Saturday

Großereignisse haben in den USA Tradition. Unter den Tennisfans zählte der Super-Saturday zum Höhepunkt des Jahres. Bis zum Jahr 1987 freuten sie sich auf einen spannenden Grand-Slam-Tag in Flushing Meadows. Während an diesem Tag die Damen im Finale aufschlugen, spielten die Herren um den Einzug in eben jenes. Um den Einzeltitel ging es bei den Herren dann einen Tag später. Das Problem: Ständige Regenfälle an genau diesen Super-Saturdays unterbrachen die Final- und Halbfinalspiele immer wieder. Diese Verzögerungen nervten die Spieler. Die Veranstalter entschieden daraufhin, den Super-Saturday an den Nagel zu hängen.

Bis 2016 fanden die Finalspiele der Damen deswegen sonntags und die der Herren montags statt. Dann ließ die USTA alte Traditionen wieder aufleben. Der Center Court, das Arthur Ashe Stadium, bekam ein ausfahrbares Dach – und der Regen hatte keine Chancen mehr.

Die Stadien in Flushing Meadows: Benannt nach historischen Legenden

Ganz klar, der Flushing Meadows Corona Park ist das Tennis-Epizentrum der USA. Und genau in diesem befindet sich im USTA Billie Jean King Tennis Center das größte Tennisstadion der Welt: Exakt 22.547 Sitzplätze fasst der im Jahr 1997 erbaute Center Court. Benannt ist dieser nach der US-amerikanischen Tennislegende und Menschrechtsaktivisten Arthur Ashe.

Bevor die USTA diesen Tennis-Megapark baute, diente der heutige Court 1, das Louis Armstrong Stadium, als Hauptplatz der US Open. Nachdem der Arthur Ashe eine Dachkonstruktion bekam, kam 2018 auch ein Dach aufs Louis Amstrong Stadium. 14.000 Zuschauer finden nun, vom Regen geschützt, Platz im zweitgrößten Stadion des USTA Billie Jean King Tennis Centers.

Arthur Ashe: Afro-amerikanische Tennisgeschichte bei den US Open

Ortswechsel: Richmond, Virginia. Wir schreiben das Jahr 1943, um genau zu sein: den 10 Juli 1943. Gerade wird Tennis-Geschichte geboren. Ein kleiner Junge erblickt das Licht der Welt. Seine Eltern taufen ihn Arthur Ashe – und wissen noch nicht, dass ihr kleiner Junge in einigen Jahren Tennisgeschichte schreiben und Vorbild vieler afro-amerikanischer Einwohner sein wird.

In den 1950er- und 1960er-Jahren wird die Welt aufmerksam auf den klaffenden Rassismus, der in den USA herrscht. Tennis für Afro-Amerikaner – das war damals kaum vorstellbar. Denn Tennis, das war im wahrsten Sinne des Wortes der Sport für Weiße, hieß es. Auch Arthur Ashe fand keinen Platz in einem der vielen Tennisvereine. Für ihn blieb nur das öffentlichte Tennisangebot – aber das mit Erfolg.

Ashe spielte so gut, dass ihn Robert Walter Johnson entdeckte. Johnson war ein bekannter Tennisfunktionär. Sein Lebensziel: sich für die Gleichberechtigung im Tennissport einzusetzen. Er gründete die American Tennis Association (ATA), die sich für eine Tenniswelt einsetzte, in der es keinen Unterschied zwischen weißen und afro-amerikanischen Tennisspielern geben sollte. Durch die Zusammenarbeit mit Johnson änderte sich auch das von Rassentrennung und Rassismus geprägte Leben von Arthur Ashe.

Ashe erhielt ab sofort nicht nur professionellere Förderung auf dem Tennisplatz. Vielmehr unterstützte Johnson auch den Bildungsweg seines Schützlings. Der Tennisfunktionär ermöglichte Arthur Asche den Zugang zu einer Ausbildung, die zu dieser Zeit vor allem weißen US-Amerikanern vorbehalten war. Ashe studierte an der Universität von Kalifornien Betriebswirtschaftslehre.

Ghetto-Tennis als Antwort

Im Studium knüpfte Ashe Kontakte. Seine Vision vom Tennis für Jedermann verfestigte sich und er sah neue Möglichkeiten, sie zu verwirklichen. Dafür ging Arthur Ashe in Bezirke, die von Armut und Benachteiligung geprägt waren. Er organisierte dort Tennisturniere – um den Benachteiligten den Anschluss an die Tenniswelt zu ermöglichen. Getrieben von der Ungerechtigkeit wollte Ashe jedoch nicht nur den benachteiligten Tennisspielerinnen und -spielern eine Stimme geben. Er nahm teil an Protesten vor dem Weißen Haus, setzte sich ein gegen den Rassismus in den USA. So wollte er beispielsweise verhindern, dass die US-Regierung haitianische Flüchtlinge abschob.

Geleitet von seinem Kampf gegen den Rassismus musste Arthur Ashe sich jedoch auch mit persönlicher Diskriminierung auseinandersetzen. So lehnte das von der Apartheit überschattete Südafrika 1970 einen Antrag ab, in dem Ashe die Teilnahme an den South African Open an eine bestimmte Bedingung geknüpft hatte. Der Tennisprofi forderte, vor gemischt-rassigen Tribünen zu spielen. Für das Apartheidregime war das unvorstellbar – sie verweigerten Ashes Antrag. Zumindest vorerst.

Drei Jahre später nämlich gaben die Turnierverantwortlichen in Südafrika nach. 1973 spielten Ashe und alle anderen vor Tribünen mit Zuschauern jeder Abstammung, Rasse und Hautfarbe.

Arthur Ashe prägt die Tenniswelt – und bricht mit Normen

Ins Rollen kam die Tenniskarriere von Arthur Ashe im Jahr 1960. Damals gewann er als erster Afro-Amerikaner die US-amerikanischen Meisterschaften der Junioren. Drei Jahre später ist er der erste schwarze Tennisspieler, der für das Davis-Cup-Team der USA aufsschlug. Dann folgte der erste Grand-Slam-Titel: 1968 gewann Arthur Ashe die US Open, etliche weitere Turniersiege folgen – mit dem Höhepunkt des US-amerikanischen Davis-Cup-Siegs.

Es schien, als sei Arthur Ashe zu dieser Zeit nicht mehr zu bremsen. 1970 siegte er bei den Australian Open, sein nächster Grand-Slam-Titel. Es folgte die Teilnahme beim Prestigeturnier Wimbledon. In London spielte sich Ashe 1975 bis ins Finale – und traf dort im elitären All England Lawn Tennis and Croquet Club auf Jimmy Conners.

Conners und Ashe, die beiden kannten sich bereits gut – und das nicht nur vom Tennisplatz. So warf Ashe seinem Kontrahenten Connors vor, dieser sei ein "unpatriotischer Schwätzer". Was Ashe meinte: Conners würde gut bezahlte Tennisturniere der Teilnahme am Davis Cup vorziehen. Conners verklagte Ashe – und forderte fünf Millionen US-Dollar von ihm.

Trotz der Erfolge von Arthur Ashe, in Wimbledon war Conners, neun Jahre jünger und zu dieser Zeit die Nummer eins der Welt, der Favorit. Ashe wusste das – und bastelte an einer Strategie. Immer wieder spielte der ehemalige Australian-Open-Sieger stark angeschnittene Stopp-Bälle. Direkt hinter das Netz. Ashes Ziel war es, dass Conners immer wieder nah ans Netz aufrücken musste, um dann selbst einen Lob zu spielen. Der Plan von Ashe jedenfalls ging auf. Vier Sätze bekämpften sich die beiden, bis Arthur Ashe als erster Afro-Amerikaner den Pokal von Wimbledon in den Himmel strecken konnte.

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Die häufigsten Sieger der US Open

Richard Sears, William Larned und Bill Tilden: Diese drei Herren gelten als die Rekordsieger der US Open. Noch vor Beginn der Open Era konnten sie alle drei jeweils siebenmal die US Open gewinnen. Ganz klar: Am spektakulärsten sind wohl die sieben Siege in Folge, die Richard Sears feierte. Um die Erfolge von Sears und Larned jedoch richtig einordnen zu können, ist es wichtig zu verstehen, dass bis ins Jahr 1911 der Titelverteidiger automatisch für das Finale qualifiziert war. Die Siegesserie Sears' – sie könnte somit auch dem damaligen System geschuldet sein.

Was nun auch der Grund ist: Solch eine Siegesserie hat es bei den US Open seitdem nicht mehr gegeben. Einzig Roger Federer war noch einmal nah dran an diesem Erfolg. Von 2004 bis 2008 gewann Federer das New Yorker Grand Slam fünfmal hintereinander. Fünf US-Open-Titel konnten auch Jimmy Conners und Pete Sampras feiern. Vor allem Conners' Siege faszinieren. Er gewann die US Open in den 1970er- und 80er-Jahre gleich auf allen drei Belägen: Rasen, Sand und Hartplatz.

Bei den Damen zählt Molla Mallory als die erfolgreichste Spielerin bei den US Open. Zwischen 1915 und 1926, und damit vor dem Beginn der Open Era, gewann Mallory die US-amerikanischen Championships gleich achtmal. Seit Beginn der Open Era sind Chris Evert und Serena Williams die erfolgreichsten Damen bei den US Open. Beide konnten in New York sechsmal den Siegerpokal entgegennehmen.

Derweil sind Steffi Graf und Boris Becker die beiden einzigen deutschen Tennisprofis, die jemals die US Open gewinnen konnten. Becker gewann die US Open ein einziges Mal: 1989. Steffi Graf hingegen konnte das New Yorker Grand Slam insgesamt fünfmal in ihrer Karriere gewinnen.

Hintergrund: Ergebnisse der US Open 2020

Fast schon unspektakulär waren die US Open 2020. Schuld war die Corona-Pandemie, die nicht nur zu leeren Rängen im USTA Billie Jean King Tennis Center führte. Auch strichen die Veranstalter die Mixed- und Junioren-Wettbewerbe. Aufgrund zu hoher Sicherheitsbedenken sagten die Titelverteidiger Bianca Andreescu und Rafael Nadal ihre Teilnahme ab.

Die US Open Champions 2020:

Nach vielen Jahren der Dominanz von Djokovic, Nadal und Federer siegte bei den US Open 2020 jemand anderes: Dominic Thiem. Der Österreicher Thiem lag im Finale in Flushing Meadows bereits zwei Sätze gegen Alexander Zverev zurück – drehte dann die Partie und siegte in einem Fünf-Satz-Krimi. Für Novak Djokovic war bereits im Achtelfinale Schluss. Im Match gegen Pablo Carreno Busta disqualifizierte der Schiedsrichter den Serben.

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