Um diese Frage zu beantworten, wiederholten Baker und McHale im Jahr 2017 ihre Studie – und passten ihr Modell auf die Charakteristiken des Damentennis an. Sie untersuchten die Grand-Slam-Turniere von Beginn der Open Era 1968 bis zu den Australian Open 2016. Zu dieser Zeit war Steffi Graf noch die erfolgreichste Spielerin der Geschichte des Tennis. Serena Williams hatte damals 21 Grand-Slam-Titel gesammelt, zwei sollten später noch hinzukommen.
Nichtsdestotrotz: Auch im Frühjahr 2016 sagten einige Fans, dass Serena Williams die größte Tennisspielerin sei, die dieser Sport je gesehen hatte. Das Modell von Baker und McHale jedoch zeigt anderes. Die US-Amerikanerin liegt nach der Auswertung der Ergebnisse auf Platz fünf. Die Autoren vermuten: Serena Williams habe im Vergleich zu Steffi Graf erstens "eine größere Schwankung in ihren Ergebnissen – und zweitens vermutlich gegen schwächere Gegnerinnen gespielt".
Um die Stärke der Spielerinnen zu messen, berechnet das Modell von Baker und McHale erneut eine sogenannte maximale Stärke, die eine Spielerin im Laufe ihrer Karriere erreichen konnte – mit folgendem Ergebnis:
1. Steffi Graf
Ganze 377 Wochen war Steffi Graf die Nummer eins der Tennis-Welt. Damit ist sie bis heute jene Spielerin, die am längsten die Weltrangliste anführte. Die Deutsche sammelte 22 Grand-Slam-Titel (siebenmal Wimbledon, sechsmal French Open, fünfmal US Open und viermal Australian Open). Im Jahr 1988 folgte dann ihr Karriere-Höhepunkt: Als bislang erste und einzige Person ihres Sports gewann sie den Golden Slam – alle vier Grand-Slam-Turniere und das Olympische Gold in einem Jahr. Stärke nach Baker und McHale: 7,39.
2. Martina Navratilova
Die Liste der Erfolge von Martina Navratilova ist lang: 18 Grand-Slam-Turniere konnte sie gewinnen, insgesamt siegte sie bei 167 WTA-Turnieren im Einzel und 177 im Doppel. Mit neun Wimbledon-Siegen ist sie Rekordhalterin des traditionellsten Tennis-Rasenturniers der Welt. 332 Wochen war sie zudem die Nummer eins des Damentennis. Stärke nach Baker und McHale: 7,02.
3. Monica Seles
Das Attentat eines psychisch kranken Tennisfans auf Monica Seles überschattete die Karriere der US-Amerikanerin. Zuvor sorgte sie bereits als 16-Jährige für eine erste Überraschung, als sie Steffi Graf 1990 bei ihrem Heimturnier in Berlin im Finale besiegte. Seles gewann viermal die Australian Open, dreimal die French Open und zweimal die US Open. Vermutlich wären weitere Titel hinzugekommen, hätte sie ihre Karriere aufgrund des Angriffs nicht für mehr als zwei Jahre pausieren müssen. Stärke nach Baker und McHale: 6,71.
4. Chris Evert
Mit 18 Grand-Slam-Titeln ist Chris Evert gemeinsam mit Martina Navratilova die dritterfolgreichste Tennisspielerin der Geschichte. Mit sieben Siegen bei den French Open zählte Evert als eine echte Sandplatzspezialistin – die zugleich das Tennis modernisierte. Schließlich war sie eine der ersten Spielerinnen, die eine beidhändige Rückhand spielte. Stärke nach Baker und McHale: 6,14.
5. Serena Williams
319 Wochen die Nummer eins der Welt: Serena Williams ist zweifelsfrei eine der erfolgreichsten Tennisspielerinnen aller Zeiten – und prägte mit ihren Erfolgen die 2000er- und 2010er-Jahre. Zweimal gelang der US-Amerikanerin der Kalender-Slam. Jeweils siebenmal gewann sie Wimbledon und die Australian Open. Hinzu kommen sechs Erfolge bei den US Open und drei Siege bei den French Open. Stärke nach Baker und McHale: 5,78.
6. Justine Henin
2008 verkündete Justine Henin ihren Rücktritt vom Profitennis. Das Besondere: Sie ist damit die bislang einzige Spielerin, die ihre Karriere als aktuelle Nummer eins der Weltrangliste beendet hat. Zuvor gelangen der erfolgreichsten belgischen Tennisspielerin sieben Siege bei Grand-Slam-Turnieren. Am erfolgreichsten spielte sie in Paris: Viermal gewann Henin die French Open in ihrer Karriere. Stärke nach Baker und McHale: 5,53.
7. Billie Jean King
Billie Jean King war es, die ihren Sport veränderte: Sie initiierte die Gründung der Spielerinnenvereinigung WTA in den frühen 1970er-Jahren – mit dem Ziel, Gleichberechtigung zwischen Männer- und Frauentennis zu schaffen. Mit dem Battle of the Sexes, einem Schaukampf zwischen ihr und Bobby Riggs, erreichte sie die gewünschte Aufmerksamkeit. Mehr als 30.000 Zuschauer sahen das Match live im Stadion – die zweitgrößte Kulisse eines Tennisspiels. King selbst gewann in ihrer Karriere zwölf Grand-Slam-Titel. Stärke nach Baker und McHale: 5,05.
8. Gabriela Sabatini
Trotz ihrer 27 Karriere-Titel im Einzel reichte es für Gabriela Sabatini nie für Platz eins der Tennis-Weltrangliste. Doch auch dank ihres US Open-Sieges 1990 gelang es ihr, zehn Jahre lang in den Top-Ten zu stehen. Zudem gewann die Argentinierin zweimal die WTA Tour Championships, das Finale der Damentour. Stärke nach Baker und McHale: 4,10.
9. Arantxa Sánchez Vicario
Insgesamt zwölf Wochen führte Arantxa Sánchez Vicario die Tennis-Weltrangliste an – als erste spanische Spielerin überhaupt. Bereits zuvor überraschte die Spanierin erstmals die Tenniswelt: 1989 gewann sie ihren ersten von vier Grand-Slam-Titeln – mit ihrem unerwarteten Sieg gegen Steffi Graf. Zu diesem Zeitpunkt war die 18-Jährige die jüngste Roland-Garros-Siegerin der Geschichte. Stärke nach Baker und McHale: 4,08.
10. Margaret Court
Vielleicht unerwartet weit hinten hat das Modell von Baker und McHale die Australierin Margaret Court platziert. In ihrer Karriere sammelte sie im Einzel, Doppel und Mixed insgesamt 64-Grand-Slam-Titel. Einmalig. Elf Einzeltitel gewann sie dabei nach Beginn der Open Era. Auch das ist eine Erklärung, warum es Court im Baker-McHale-Ranking nur so gerade in die Top-Ten geschafft hat: Die Autoren haben schließlich nur Daten seit 1968 in ihr Modell einfließen lassen. Stärke nach Baker und McHale: 3,95.