US-Colleges suchen starke Doppelspieler
Inzwischen hat diese Doppel-Dramatik dazu geführt, dass College-Trainer explizit nach starken Doppelspielern suchen. „Als Trainer einer Division-1-Universität ist es entscheidend, Spieler zu finden, die nicht nur gut im Einzel, sondern auch starke Doppelspieler sind“, sagt Jaco Keyser. Scott Kidd, Trainer an der Troy University, bemängelt, dass leider trotzdem noch immer „zu viele junge Spieler nicht verstehen“, wie wichtig Doppel auf College-Ebene ist“. Es gebe so viele gute Einzelspieler, sagt er, „aber jemanden zu finden, der das Team im Einzel und Doppel weiterbringt, ist um ein Vielfaches schwerer. Spieler, die das können, haben bei mir einen großen Bonus.“
Die University of Virginia jedenfalls scheint damals die richtigen Spieler gefunden zu haben. Corinteli und Shane gewannen ihr Doppel – und Virginia 2016 ihren dritten Titel in der NCAA Division 1 innerhalb von vier Jahren.
Das Doppel also wird an US-Colleges großgeschrieben – und hat so nicht nur das Scouting der College-Trainer beeinflusst. Vielmehr hat das Doppelspiel gar das gesamte Training der jungen Sportler verändert: „Bevor ich aufs College gegangen bin, konnte ich an einer Hand abzählen, wie oft ich fürs Doppel trainiert habe“, sagt Rajeev Ram, der Anfang 2020 die Australian Open im Doppel gewann.
„Im College aber haben wir tagtäglich unser Doppelspiel trainiert.“ Das sei der Hauptgrund, glaubt Ram, warum sich Spieler gerade auf dem College zu außergewöhnlich guten Doppelspielern entwickeln würden.
Denn Ram ist keine Ausnahme. Viele erfolgreiche Doppelspieler der letzten Jahre haben in der US-College-Liga gespielt. Die bekanntesten Absolventen sind wohl die Brüder Bob und Mike Bryan, die für die Stanford University aufschlugen. Auch aktuell haben von den zurzeit 20 weltweit besten Doppelspielern vier ein US-College besucht (Stand: Mai 2020) – eine Quote, die man im Einzel vergeblich sucht.
Dieses Phänomen erklärt sich einerseits durch eben jenen besonderen Stellenwert des Doppels im College-Tennis. Zum anderen liegt es aber auch am College-Sport-System selbst. So können nur solche Spieler für eine US-Universität aufschlagen, die noch keine Profis sind. Hochtalentierte Jungspieler, die bereits auf der Tour spielen, fallen somit aus dem Raster. College-Tennis ist damit vor allem für diejenigen Spieler interessant, die mit 18 Jahren zwar große Talente, aber noch nicht bereit für die Profitour sind. Vereinfacht heißt das: Die Idee und das System College produzieren vor allem Doppel- statt Einzelprofis. Die aktuell bekanntesten Ausnahmen stellen wohl John Isner und Kevin Anderson dar.
Doppel „ist etwas, das für alle, aber besonders für College-Spieler gewaltig ist“, sagt auch die ehemalige Doppelspielerin Megan Moulton-Levy. „Alle College-Spieler, die heute bei den Profis spielen, spielen Doppel.“ Lange Zeit profitierte davon der US-amerikanische Tennisverband, der – gemeinsam mit Australien – Jahr für Jahr mit seinen Spielern die meisten Doppeltrophäen einsammelte.
Dass nun von den besten Doppelpaarungen aller Zeiten auch die meisten Spieler aus eben diesen beiden Ländern kommen sollen, überrascht nicht. Bewiesen haben will das Kristijan Breznik, der 2015 eine Studie veröffentlichte, in der er die besten männlichen Doppelpaarungen seit der Open Era bis zum Jahr 2014 analysierte. Elf der 20 Spieler kommen in Brezniks Modell aus den USA oder Australien. So sichern sich die US-amerikanischen Bryan-Brüder die Spitzenposition, gefolgt von der australischen Paarung Mark Woodforde/Todd Woodbridge. Der dritte Platz allerdings überrascht – und zeigt mit Daniel Nestor aus Kanada und Mark Knowles von den Bahamas, dass sich bereits 2014 neben US-amerikanischen und australischen Spielern auch solche aus anderen Nationen in Brezniks Bestenrangliste spielen konnten.