Wanderung des Tenniszirkus: Die Geschichte der Australian Open

Die Australian Open sind das erste Grand-Slam-Turnier des Jahres. Lange Zeit stand es allerdings im Schatten der drei großen Turniere in Paris, London und New York. Woran das lag? Eine Reise durch Australien und Neuseeland.

Australian Open: Geschichte vom Grand-Slam-Turnier, die Sieger und die Stadien in Melbourne.

Von Tillmann Becker-Wahl, Illustration: Oona

Die Australian Open sind das jüngste der vier Grand-Slam-Turniere. Lange Zeit dominierten australische Tennisspielerinnen und -spieler das Turnier in Melbourne. Das lag nicht nur an den Reiseschwierigkeiten – sondern auch am ungünstigen Termin nahe Weihnachten und Neujahr. Die Verantwortlichen der Australian Open versuchten vieles. Doch am Ende dauerte es bis in die 1980er-Jahre, bis die Australian Open den Stellenwert erreichten, den sie heute haben. Eine Geschichte über die Wanderung des Tenniszirkus.

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Während in Europa und in den USA bereits Ende des 19. Jahrhunderts die wichtigsten Tennisturniere der Welt stattfanden, existierte das australische Tennis erst in Grundzügen. Zwar fehlte es nicht an australischen Tennisspielern – doch an einem nationalen Tennisverband und überregionalen Turnieren. Das hatte Gründe.

In den 1790er-Jahren begann Großbritannien, die australische Insel zu kolonialisieren. Einzelne Regionen wurden unabhängige Kolonien – einen modernen Staat gab es nicht. Das änderte sich Anfang des 20. Jahrhunderts. 1901 schlossen sich die zuvor unabhängigen Kolonien der australischen Insel zusammen und bildeten das Commonwealth of Australia. Es war der erste Schritt in Richtung Unabhängigkeit von Großbritannien.

Auch die Tennisspieler des Commonwealth wollten der Welt ihre neue Unabhängigkeit zeigen. Ihr Plan: am im Jahr 1900 entstandenen Davis Cup teilnehmen. Doch genau hier lag das Problem. Teilnahmeberechtigt waren nur Nationen, die auch einen eigenen Tennis-Landesverband hatten. Auf der Suche nach eben jenen, entschied sich das noch in den Fußstapfen steckende australische Tennis, sich mit der Nachbarinsel Neuseeland zusammenzutun. So entstand 1904 die Australasian Lawn Tennis Association, der australasische Tennisverband.

Die Teilnahme am Davis Cup reichte den australischen Topspielern allerdings nicht. Wie auch in London, Paris und New York sollte auch in Australien eine nationale Tennismeisterschaft ausgetragen werden. Der neugegründete Verband war gleicher Meinung. 1905 riefen sie die ersten australasischen Meisterschaften aus, die Australasian Championships.

Von den australasischen Meisterschaften zu den Australian Open

Nachdem der australisch-neuseeländische Verband also die Entscheidung einer eigenen Tennismeisterschaft getroffen hatte, verschickte er für den November desselben Jahres die ersten Einladungen. In Melbourne, der ersten Hauptstadt des neuen Commonwealth, kamen schließlich 17 Männer zusammen, um den ersten australasischen Meister auszuspielen. Mit 4:6, 6:3, 6:4, 6:4 gewann der Australier Rodney Heath gegen seinen Landsmann Arthur Curtis vor rund 5.000 Zuschauern das erste Finale.

Während die französischen, britischen und US-amerikanischen Meisterschaften von Beginn an in der gleichen Stadt ausgetragen wurden, wählte der australasische Tennisverband einen anderen Weg: Statt in der immer gleichen Stadt zu spielen, wechselten sie die Austragungsorte. Gleich im zweiten Jahr wanderten die Meisterschaften nach Christchurch, Neuseeland.

Fest nach Melbourne kehrte das australische Turnier erst 1972 zurück. Der Grund: Die Fünf-Millionen-Metropole zog einfach die meisten Zuschauer an. Zuvor trugen aber auch Sydney (17-mal), Adelaide (14-mal), Brisbane (achtmal), Perth (dreimal) und die neuseeländische Stadt Hastings (einmal) die Meisterschaft aus.

Die vielen Ortswechsel jedenfalls hatten Gründe: Innerhalb Australiens und Neuseelands zu reisen, war schwierig. Oft nahmen nur jene Tennisspieler an den australasischen Tennismeisterschaften teil, die in der Nähe lebten. 1906 fanden lediglich zehn Spieler den Weg nach Christchurch.

45 Tage nach Australien

Noch problematischer war die Anreise für europäische und US-amerikanische Spieler. Zwar gewann 1908 mit Fred Alexander bereits der erste Spieler, der nicht aus Australien oder Neuseeland kam, die Meisterschaft. Dass er aber überhaupt teilnahm, lag daran, dass zuvor der Davis Cup in Melbourne stattfand. Auf Europäer traf Alexander nicht. Die brauchten zu dieser Zeit mit dem Schiff mindestens 45 Tage nach Australien.

Dass die australasischen Meisterschaften zu dieser Zeit – anders als die großen Turniere in London, Paris und New York – kein Major-Turnier war, ist wenig überraschend. Das lag letztlich jedoch nicht nur an den schwierigen Anreisebedingungen. Vielmehr machten die Turnierorganisatoren aus Australien und Neuseeland etwas gänzlich anders: Sie verzichteten auf eine Setzliste.

Das änderte sich 1924. Mittlerweile hatte sich der neuseeländische Verband seit zwei Jahren zurückgezogen – und die Australier veranstalteten die Meisterschaften allein. In neuer Konstellation setzten sich die Verantwortlichen mit dem internationalen Tennisverband zusammen. Sie überzeugten die Tennischefs davon, dass auch die Meisterschaften in Australien zu einem Major aufsteigen sollten. Dafür würde man künftig auch auf Setzlisten bauen. Der internationale Tennisverband stimmte zu.

Trotz der Würdigung des australisch-neuseeländischen Turniers gewannen lange Zeit vor allem Spielerinnen und Spieler aus Australien oder den angelsächsischen Staaten die Meisterschaft. Bis 1978 konnte bei den Herren mit dem Franzosen Jean Borotra lediglich ein Spieler gewinnen, der nicht aus Australien, Großbritannien oder den USA stammte. Ein ähnliches Bild lieferte das Damenturnier.

1922 durften erstmals auch Frauen bei den australasischen Meisterschaften aufschlagen. Die erste Siegerin: die Australierin Margaret Molesworth. Mit der Britin Dorothy Round gewann im Jahr 1937 erstmals eine nicht-australische Frau. Wie bei den Männern kamen auch bei den Damen anschließend die Siegerinnen für lange Zeit aus dem angelsächsischen Raum. Das änderte sich erstmals 1980. Damals gewann die Tschechin Hana Mandlikova das Turnier.

Nachdem sich Neuseeland in den 1920er-Jahren aus dem australasischen Tennisverband zurückgezogen hatte, benannte der neuentstandene australische Tennisverband das Turnier in Australian Championships um. Bis 1969 hielt das Turnier diesen Namen – dann öffneten die Veranstalter mit Beginn der Open Ära das Turnier für Profis und Amateure. Die Australian Open waren geboren.

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Australian Open ziehen in den Melbourne Park

Obwohl das Reisen in den 1970er-Jahren deutlich einfacher war: Oft blieben viele Topstars der damaligen Zeit dem Turnier fern. Statt Tennis zu spielen, wollten sie lieber Weihnachten oder Silvester feiern. Das war allerdings nur schwer mit den Australian Open zu verbinden. Diese nämlich fanden Anfang Januar statt – bis 1977.

Damals entschieden die Veranstalter, das Turnier zukünftig in den Dezember zu verlegen. Auch auf diese Weise erhofften sie sich, mehr Topspieler für das Turnier begeistern zu können. Die kuriose Folge: 1977 fanden die Australien Open gleich zweimal statt, einmal im Januar und einmal im Dezember. Gänzlich überzeugen konnte diese Idee die Tennisprofis und -fans allerdings nie. 1987 wechselten die Organisatoren zurück in den Januar.

Von 1973 bis 1987 fanden die Australian Open im Melbourner Stadtteil Kooyong statt. Anfangs schien das der perfekte Austragungsort zu sein – schnell jedoch stellte sich heraus, dass mit Beginn der Open Ära auch der Zuschauerandrang stieg. Das Kooyong Stadion im Kooyong Lawn Tennis Club wurde einfach zu klein.

1988 also zog das Turnier abermals um: in den heutigen Melbourne Park. Mit dem Umzug der Austragungsstätte wechselten die Veranstalter auch den Belag. Wurde bislang auf Rasen gespielt, finden die Australian Open seit 1988 auf Hartplatz statt.

Eigens für die Australian Open wurde der Melbourne Park in den 1980er-Jahren errichtet. Heute ist er Teil des Melbourne Sports and Entertainment Precinct, zu dem auch das Melbourner Cricketstadion, Fußball- und Rugbystadion Melbourne Rectangular Stadium und das Olympic Parc Stadium gehört.

Die Stadien bei den Australian Open

23 Turnierplätze hat der Melbourne Park, darunter sechs Arenen. Mit 14.820 Zuschauerplätzen ist die Rod Laver Arena das größte Stadion der Australian Open. Wie die Rod Laver Arena, haben auch die John Cain Arena (10.500 Plätze) und die Margaret Court Arena (7.500 Plätze) ein ausfahrbares Dach.

Das neueste Stadion heißt zurzeit noch Show Court Arena. Das 5.000 Plätze große Stadion ist Ende 2021 fertiggestellt worden – und soll wie die drei großen Geschwister ebenfalls einen Namen erhalten. Ob die Arena nach einer Tennislegende benannt wird, steht indes noch nicht fest.

Mit jeweils 3.000 Sitzplätzen sind der Show Court 2 und 3 die kleinsten Stadien des Melbourne Parks. Die anderen Plätze zählen nicht als Arenen, können aber je zwischen 50 und 2.500 Zuschauern Platz bieten. Auch sechs Hallenplätze sowie eine Multifunktionshalle gehören zum australischen Tennispark.

Die Gewinner der Australian Open

So dominant die australischen Spielerinnen und Spieler in den ersten Jahren der Australian-Open-Geschichte waren, desto seltener durften sie zuletzt jubeln. Die letzten zwei Sieger waren Mark Edmondson (1976) und Christine O’Neil (1978). Edmondson gelang mit seinem Erfolg gar ein Rekord. Zum Zeitpunkt seines Sieges war er die Nummer 212 der Welt. Kein Spieler konnte seitdem mit einer so niedrigen Platzierung ein Grand-Slam-Turnier gewinnen.

Die erfolgreichsten Spielerinnen und Spieler der Australian Open sind derweil andere. Bei den Herren gewann Novak Djokovic in Australien neunmal. Roy Emerson ist mit fünf Australian-Open-Titeln hintereinander der Rekordhalter mit den meisten Siegen am Stück. Die erfolgreichste Australian-Open-Spielerin aller Zeiten ist Margaret Court. Die Australierin gewann elf Titel, sieben davon vor der Open Ära. Serena Williams ist die erfolgreichste Spielerin bei den Australian Open seit 1969. Sie gewann das Turnier von Melbourne siebenmal.

Neben Margaret Court ist Rod Laver die zweite australische Tennislegende. Er gewann die Australian Open insgesamt dreimal – hätte sie vor der Open Ära vermutlich jedoch noch öfters gewonnen. Da Laver sich allerdings Anfang der 1960er-Jahre dazu entschied, mit Tennis Geld zu verdienen, war er bis zu Beginn der Open Ära 1968/69 bei Grand-Slam-Turnieren nicht mehr spielberechtigt.

Die erfolgreichsten Deutschen bei den Australian Open sind bis heute Steffi Graf und Boris Becker. Graf gewann die Australian Open viermal: 1988, 1989, 1999 und 1994. Der Sieg 1988 war der Start in Grafs Golden-Slam-Jahr. Becker gewann die Australian Open 1991 und 1994.

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Eurosport überträgt die Australian Open live

Auch wenn die Australian Open für deutsche Fans zu früher Stunde gespielt werden: Auch hierzulande ist das Grand Slam beliebt. In Deutschland hält Eurosport die Rechte an den Australian Open. Neben Eurosport 1 überträgt auch der Eurosport Player und Eurosport 360 die Australian Open.

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