Davis Cup: Der Traum vom Tennis-Nationenkampf

Der Davis Cup ist heute der wichtigste Nationenwettbewerb im Tennis – vergleichbar mit der Fußball-Weltmeisterschaft. Wir erklären, wie der Davis-Cup-Modus funktioniert, wer die Sieger waren und warum das Turnier so besonders ist.

Alles was du über den Davis Cup wissen musst: Sieger, Modus und die Geschichte.

Von Tillmann Becker-Wahl, Illustration: Oona

Was unter anderem auf Initiative eines US-amerikanischen Studenten entstand, ist heute der wichtigste Nationenwettbewerb im Tennis: der Davis Cup. Um die Entstehung des Tennis-Länderkampfes ranken viele Mythen. Fest steht: Begonnen hat er in den USA. Pünktlich zum Beginn des Davis Cups erzählen wir die über 100-jährige Geschichte des Turniers – und erklären, wie der Davis-Cup-Modus funktioniert, wer die erfolgreichsten Nationen sind und was den Nationenwettkampf so besonders macht.

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„Lass uns endlich die Briten herausfordern.“ So oder so ähnlich könnte der Beginn des Davis Cups ausgesehen haben. Wie es Ende der 1890er-Jahre wirklich ablief, ist heute selbstverständlich nicht mehr vollständig zu rekonstruieren. Doch klar ist: Großen Anteil am wichtigsten Tennis-Länderturnier des Jahres haben zwei Männer – James Dwight und Dwight Filley Davis.

Nachdem mit Beginn des 19. Jahrhunderts die Industrialisierung voranschritt, wurde es für viele Menschen in Europa und Nordamerika immer einfacher, zwischen verschiedenen Staaten hin- und herzureisen. Zu beobachten war das Phänomen auch auf den immer populärer werdenden Sportplätzen der Welt – so wie beim Tennis.

America’s Cup und Olympia läuten die Zeit der Nationenwettkämpfe ein

Bereits zu Beginn der britischen und französischen Tennismeisterschaften, den heutigen Wimbledon Championships und French Open, standen nicht nur Briten und Franzosen auf den Tennisplätzen. Auch Spieler benachbarter Nationen fuhren nach London und Paris, um sich mit den Lokalmatadoren zu messen. Das Problem: Gerade der Weg zu den US-amerikanischen und australischen Tennismeisterschaften war für die meisten Europäer noch immer mit großem Aufwand verbunden. Das merkte auch James Dwight, Präsident des US-Tennisverbands.

Immer wieder versuchte er, britische Tennisspieler in die USA zu lotsen. Nur logisch. Schließlich galten die Erfinder des Rasentennis zu Beginn der Tennisgeschichte als die besten Spieler der Welt. Das wollte Dwight nutzen. Er erhoffte sich, dass seine Landsleute in Duellen gegen die britische Tennismacht ihr Spiel verbessern würden. Doch Dwights Bemühungen blieben vor allem eins – glücklos. Zwar kamen mit der Zeit immer mal wieder britische Spieler in die USA und US-amerikanische Spieler aufs europäische Festland. Meist trafen sie jedoch eher in formlosen Freundschaftsspielen aufeinander.

So richtig in die Zeit passte das allerdings nicht. Zugegebenermaßen wollte auch der französische Historiker Pierre de Coubertin mit den Olympischen Spielen der Neuzeit lediglich jenen freundschaftlichen Länderkampf auf Sportplätzen fördern. Doch schnell entwickelte sich auch dort sportlicher Ehrgeiz.

Dieser zeigte sich seit einigen Jahren vor allem auf dem Meer – beim seit 1851 stattfindenden America’s Cup. Bei diesem forderten Mitte des 19. Jahrhunderts erstmals US-amerikanische Segler ihre britischen Konkurrenten heraus. Zehnmal wiederholte sich der Länderkampf zu See bis 1900.

Harvard-Studenten rufen den ersten Davis Cup aus

Die Gunst des Zeitgeists wusste schließlich Dwight Filley Davis zu nutzen. Nach den jahrelang missglückten Versuchen des US-amerikanischen Tennispräsidenten endlich ein Nationenkampf zwischen den USA und Großbritannien auf dem Tennisplatz auszutragen, sammelte Davis unschlagbare Argumente.

Davis selbst war zu dieser Zeit Student an der renommierten US-amerikanischen Universität Harvard. Dort war er Teil des Tennisteams der Universität – und reiste als einer der besten Doppelspieler des Landes durch Nordamerika, um an verschiedenen Turnieren teilzunehmen. In Kanada bekam er mit, dass führende Mitglieder des US-amerikanischen Tennisverbands nach wie vor planten, ein Länderturnier zu veranstalten. Allerdings verwarfen sie solche und ähnliche Ideen immer wieder, hieß es.

Davis selbst verstand das nicht. 1899 forderte er mit dem Team der Harvard-Universität die größten Talente der US-Westküste heraus. Seine Region zu vertreten, machte den Doppelspezialisten stolz. Umso stolzer müsste man sein, dachte Davis, wenn man sein ganzes Land auf dem Tennisplatz vertreten dürfe. In dem Wissen, dass auch der Präsident des US-Tennisverbands ein großer Freund des Nationenwettkampfs war, bat er gemeinsam mit seinen Harvard-Mitspielern um einen Termin.

Lange überzeugen mussten Davis und seine Freunde Tennispräsident Dwight nicht. Ein Problem blieb trotzdem. Bislang nämlich konnten sich der britische und der US-amerikanische Verband nicht auf ein Turnier einigen. Davis aber hatte eine Idee – und bediente sich an bereits Dagewesenem.

Seit 1892 schon duellierten sich England und Irland auf dem Tennisplatz. Statt lediglich Einzel zu spielen, entwickelten die Turnierveranstalter einen Modus, der heute vielen Tennisfans bekannt vorkommt: In mehreren Einzel- und Doppelrunden spielten die beiden Länder den Sieger aus. Also schlug Davis 1899 vor, diesen Modus in einer ähnlichen Art zu übernehmen: Auch beim Nationenkampf zwischen der USA und Großbritannien sollten Einzel und Doppel gespielt werden.

Um den britischen Verband vollends zu überzeugen, bot Davis zudem an, einen Pokal aus Sterling-Silber zu spenden. Die Präsidenten stimmten zu – und der Student besorgte für rund 1.000 US-Dollar den Pokal. Das Geld dafür hatte Davis zuvor gespart.

Die Anfänge des Davis Cups

Lange Jahre galt Davis als Erfinder des heutigen Davis Cups. Mittlerweile aber ist klar: Weder die Idee eines Nationenwettkampfs noch der Modus stammten von ihm. Allerdings schaffte es Davis – vermutlich auch Dank des gespendeten Pokals –, die langjährigen Bemühungen eines Tennis-Länderwettkampfs in die Tat umzusetzen. Dass die Studenten der Harvard-Universität so auch Teil des ersten US-amerikanischen Tennisteams waren, überrascht daher nicht.

Zum ersten Länderduell zwischen den USA und Großbritannien kam es schließlich 1900. Davis Cup hieß der Wettbewerb zu dieser Zeit noch nicht. Die Präsidenten tauften ihn stattdessen International Lawn Tennis Challenge, internationaler Rasentennis-Wettkampf.

Im Longwood Cricket Club in Boston trafen die Harvard-Studenten auf die Auswahl Großbritanniens. Die Gäste aus Europa galten als klare Favoriten – schließlich hatten sie das Spiel ja erfunden. Das entpuppte sich jedoch als falsch. Mit 3:0 siegte das College-Team gegen die erfahrenen Briten. Für Dwight und Davis ein voller Erfolg.

In den USA löste der neue Nationenwettkampf einen wahren Tennis-Popularitätsboom aus. Und auch die Briten wollten die Niederlage nicht auf sich sitzen lassen. Trotzdem fiel 1901 die Neuauflage des Turniers aus. Mit Wiederaufnahme 1902 blieben die USA jedoch erneut Sieger.

Bis 1905 blieb die International Lawn Tennis Challenge ein Zweikampf zwischen den USA und Großbritannien. Dann öffneten die Veranstalter das Turnier für weitere Nationen. Ab sofort kämpften auch Australasien (ein Team aus Spielern aus Australien und Neuseeland), Frankreich, Belgien und Österreich um die Tenniskrone. 1913 kam mit Deutschland eine weitere Tennisnation hinzu, bis schließlich der nun als Davis Cup bezeichnete Wettkampf mit über 30 teilnehmenden Ländern schon fast zu einer Tennisweltmeisterschaft der Nationen anwuchs.

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Der Davis-Cup-Modus

Als 1905 erstmals auch weitere Länder am Davis Cup teilnahmen, erinnerte der Turniermodus noch nicht an den heutigen. Vielmehr spielten alle Herausforderer einmal gegeneinander, um einen Gewinner im Vorentscheid zu ermitteln. Dieser durfte dann den Vorjahressieger im Finale herausfordern.

Bis 1923 blieb dieser Turniermodus unverändert. Dann setzten die Veranstalter aufgrund der gewachsenen Turniergröße zwei Gruppen ein: die amerikanische und die europäische Gruppe. Auch hierbei spielten die jeweiligen Gruppensieger den Gewinner der Vorrunde aus – der dann wiederum auf eben jenen Vorjahressieger traf.

Ein K.o.-System, wie Tennisfans es heute kennen, führte der Internationale Tennisverband (ITF) erst 1972 ein. Erstmals musste der amtierende Davis-Cup-Sieger von Anfang an am Wettbewerb teilnehmen – und war eben nicht von vornhinein als Finalteilnehmer gesetzt. 1981 erneuerte die ITF schließlich ein weiteres Mal das Turnier, indem der Verband ein Relegationssystem einführte. Die besten Nationen der Welt spielen seitdem in der Weltgruppe – während die verbleibenden Länder in regionalen Gruppen um den Aufstieg in eben jene kämpfen.

Obwohl der Davis Cup unter den Profis selbst sehr beliebt war, verloren manche Zuschauer, vor allem aber viele Sponsoren über die Jahre immer öfter das Interesse. Das lag besonders am Turnierverlauf. Statt den Davis Cup im Jahr einmalig auszutragen, streckte die ITF die Spiele über die gesamte Saison. Das änderte der Tennisweltverband 2018.

Die ITF entschied, dem Davis Cup mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Seit 2019 finden die Spiele der Weltgruppe in einer finalen Turnierwoche statt. Der Tennisverband taufte dieses neu geschaffene Turnier Davis Cup Finals – in der Hoffnung, das neue Davis-Cup-Format ähnlich wie eine Weltmeisterschaft vermarkten zu können.

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Der Ablauf der Davis Cup Finals

Während in den unteren Regionalgruppen die Länder weiterhin über die Saison verteilt um den Auf- und Abstieg spielen, finden die Davis Cup Finals nun stets am Ende einer Tennissaison an einem festen Ort statt. Die 18 qualifizierten Nationen werden auf sechs Round-Robin-Gruppen mit jeweils drei Teams aufgeteilt.

In diesen Round-Robin-Gruppen spielen alle drei Mannschaften einmal gegeneinander. Die sechs Gruppensieger sowie die beiden besten Gruppenzweiten erreichen das Viertelfinale. Ab diesem kommt es zu klassischen K.o.-Spielen.

Lange Zeit galt beim Davis Cup ein Best-of-5-Modus. Die Partie zwischen zwei Ländern war dann entschieden, wenn eine Nation aus vier Einzeln und einem Doppel drei Spiele für sich entschied. Dieser Best-of-5-Modus gilt in den unteren Regionalgruppen teilweise noch immer.

Bei den Davis Cup Finals der Weltgruppe hingegen änderte die ITF den Best-of-5- zu einem Best-of-3-Modus. Nun kommt es zu zwei Einzeln und einem Doppel. Sieger ist, wer zuerst zwei der drei Partien gewinnen kann.

Die Davis-Cup-Sieger seit 1900

Bis 1973 konnten lediglich die USA, Großbritannien, Australien und Frankreich den Davis Cup gewinnen. Erst mit dem Sieg Südafrikas 1974 wurde diese Dominanz gebrochen. Seitdem kommt es immer wieder zum Wechsel auf dem Siegerpodest des Davis Cups. Dreimal stand Deutschland ganz oben: 1988, 1989 und 1993.

Zum Aufklappen: Die Liste aller Davis-Cup-Sieger seit 1900
  • 1900 USA
  • 1902 USA
  • 1903 Großbritannien *
  • 1904 Großbritannien *
  • 1905 Großbritannien *
  • 1906 Großbritannien *
  • 1907 Australien *
  • 1908 Australien *
  • 1909 Australien *
  • 1911 Australien *
  • 1912 Großbritannien *
  • 1913 USA
  • 1914 Australien *
  • 1919 Australien *
  • 1920 USA
  • 1921 USA
  • 1922 USA
  • 1923 USA
  • 1924 USA
  • 1925 USA
  • 1926 USA
  • 1927 Frankreich
  • 1928 Frankreich
  • 1929 Frankreich
  • 1930 Frankreich
  • 1931 Frankreich
  • 1932 Frankreich
  • 1933 Großbritannien *
  • 1934 Großbritannien *
  • 1935 Großbritannien *
  • 1936 Großbritannien *
  • 1937 USA
  • 1938 USA
  • 1939 Australien *
  • 1946 USA
  • 1947 USA
  • 1948 USA
  • 1949 USA
  • 1950 Australien *
  • 1951 Australien *
  • 1952 Australien *
  • 1953 Australien *
  • 1954 USA
  • 1955 Australien *
  • 1956 Australien *
  • 1957 Australien *
  • 1958 USA
  • 1959 Australien *
  • 1960 Australien *
  • 1961 Australien *
  • 1962 Australien *
  • 1963 USA
  • 1964 Australien *
  • 1965 Australien *
  • 1966 Australien *
  • 1967 Australien *
  • 1968 USA
  • 1969 USA
  • 1970 USA
  • 1971 USA
  • 1972 USA
  • 1973 Australien *
  • 1975 Schweden
  • 1976 Italien
  • 1977 Australien *
  • 1978 USA
  • 1979 USA
  • 1980 Tschechien
  • 1981 USA
  • 1982 USA
  • 1983 Australien *
  • 1984 Schweden
  • 1985 Schweden
  • 1986 Australien *
  • 1987 Schweden
  • 1988 Deutschland
  • 1989 Deutschland
  • 1990 USA
  • 1991 Frankreich
  • 1992 USA
  • 1993 Deutschland
  • 1994 Schweden
  • 1995 USA
  • 1996 Frankreich
  • 1997 Schweden
  • 1998 Schweden
  • 1999 Australien *
  • 2000 Spanien
  • 2001 Frankreich
  • 2002 Russland
  • 2003 Australien *
  • 2004 Spanien
  • 2005 Kroatien
  • 2006 Russland
  • 2007 USA
  • 2008 Spanien
  • 2009 Spanien
  • 2010 Serbien
  • 2011 Spanien
  • 2012 Tschechien
  • 2013 Tschechien
  • 2014 Schweiz
  • 2015 Großbritannien *
  • 2016 Argentinien
  • 2017 Frankreich
  • 2018 Kroatien
  • 2019 Spanien

Wer 2021 den Davis Cup gewinnt, entscheidet sich Anfang Dezember. Nachdem die Finalrunde 2020 aufgrund der Coronapandemie ausgefallen ist, geht Spanien als Titelverteidiger ins Turnier. 2021 überträgt Servus TV die Davis Cup Finals in Deutschland und Österreich.


* Hinweis: In den Anfangsjahren traten Australien und Neuseeland als Team Australasien und Großbritannien als Team Britische Inseln an. Siege des Teams Australasien wurden in dieser Liste für Australien gewertet, Siege des Teams Britische Inseln für Großbritannien.

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